Kreative Methoden für Kommunikation und Zusammenarbeit in der Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung sieht sich heute neuen Herausforderungen gegenüber: Sie muss das Vertrauen der Bürger*innen stärken, Interesse an demokratischen Prozessen wecken und gleichzeitig intern effizienter und kooperativer arbeiten. Kreative Techniken aus Design, Kreation und Storytelling können dabei helfen, Verwaltungsarbeit und -kommunikation innovativer und bürgernäher zu gestalten.

Im Folgenden wird ein Überblick über solche Methoden gegeben – von Storytelling über Design Thinking bis Gamification – inklusive strategischer Überlegungen und praktischer Beispiele aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft.

Storytelling: Geschichten für politische Inhalte nutzen

Gute Geschichten fesseln und vermitteln Botschaften einprägsamer als trockene Fakten. Storytelling in der Verwaltungskommunikation bedeutet, abstrakte politische Themen in greifbare Erzählungen zu übersetzen. Dadurch lassen sich selbst nüchterne Informationen und komplexe Sachverhalte auf einer emotionalen Ebene vermitteln​. Unser Gehirn denkt in Bildern; anschauliche Beispiele und Anekdoten erzeugen “Kopfkino” und machen komplizierte Inhalte verständlicher und merkwürdiger​.

Wichtig ist dabei der Aufbau der Geschichte. Eine klare Dramaturgie mit Anfang, Wandel und Ende – oft in Form einer Heldenreise – hilft dem Publikum, der Handlung zu folgen​. Der “Held” einer Verwaltungsgeschichte könnte z.B. eine Bürgerin sein, der/die ein Problem erlebt und durch eine neue politische Maßnahme eine Lösung findet. Solche Geschichten setzen Fakten in Kontext, inspirieren und können sogar Verhalten beeinflussen​. Entscheidend ist die Relevanz für die Zielgruppe: Die Erzählung sollte an deren Erfahrungen anknüpfen und ihre Bedürfnisse ernst nehmen​. Nur mit Glaubwürdigkeit und Authentizität gelingt es, Vertrauen aufzubauen – “Märchenstunde” darf es nicht werden​.

In der Praxis nutzen immer mehr Behörden Storytelling. So betont z.B. ein Leitfaden der Konrad-Adenauer-Stiftung, dass emotionale, personalisierte Geschichten helfen, politische Botschaften im Gedächtnis zu verankern​. Städte stellen etwa auf Websites reale Fallbeispiele vor („Wie Bürger X vom neuen Service profitierte“), um abstrakte Programme greifbar zu machen.

Auch in Reden oder Social-Media-Beiträgen können Verwaltungsmitarbeiter durch Storytelling komplizierte Themen lebendig erklären. Wenn etwa eine Bürgermeisterin nicht nur Zahlen zum Haushaltsüberschuss präsentiert, sondern erzählt, wie diese Überschüsse das Leben einer Familie durch bessere Kitaplätze verbessern, entsteht ein emotionaler Zugang zur Haushaltspolitik. Solche Erzählweisen schaffen Identifikation, vermitteln Werte und stärken im Idealfall die Bindung zwischen Verwaltung und Bürger*innen​.

Design Thinking: Nutzerzentrierte Bürgerbeteiligung und Innovation

Design Thinking ist ein kreativer Ansatz, der die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt und durch iteratives Ausprobieren innovative Lösungen entwickelt. In der Verwaltung kann Design Thinking sowohl für die Bürgerbeteiligung als auch für interne Innovationsprozesse genutzt werden. Die Methode lädt dazu ein, Probleme aus Sicht der Nutzer (Bürger*innen oder Mitarbeitende) zu verstehen, gemeinsam Ideen zu generieren und Prototypen zu testen. Gerade in Zeiten digitaler Transformation hilft dieser Ansatz, Verwaltungsangebote bürgerfreundlicher zu gestalten.

Abb.: Design Thinking ist ein iterativer Prozess: Durch Verstehen der Nutzerbedürfnisse, gemeinsames Ideengenerieren und schnelles Prototyping entstehen nutzerzentrierte Lösungen.

In der Bürgerbeteiligung fördert Design Thinking ein Co-Design mit der Bevölkerung. Ein Beispiel liefert die Stadt Ulm, die im Projekt „Ulm4CleverCity“ einen Urban Design Thinking (UDT)-Prozess durchführte. Über drei Wochen wurden Einwohnerinnen zu „Expertinnen des Alltags“ gemacht – ihre Erfahrungen, Bedürfnisse und Ideen standen am Anfang​. In Workshops sammelte die Stadt zunächst gezielt Alltags-Erlebnisse der Bürgerinnen zu städtischen Herausforderungen. Darauf aufbauend entwickelten gemischte Gruppen aus Verwaltung und Bürgerschaft gemeinsam Lösungen. Diese wurden sogar prototypisch umgesetzt und sofort getestet, um sie agil weiterzuentwickeln​. Der Erfolg: Es entstanden nutzerzentrierte Projektansätze für städtische Zukunftsaufgaben, von denen sich die Bürgerinnen ernsthaft mitgenommen fühlten. Solche Co-Creation-Formate erhöhen die Akzeptanz, da Lösungen mit statt nur für die Bürger erarbeitet werden.

Auch intern durchbricht Design Thinking Silos. Indem Mitarbeitende unterschiedlicher Ämter und Hierarchien in kreativen Workshops zusammenkommen, entstehen lebendige Querverbindungen zwischen Organisationsbereichen​. Kurze Zyklen aus Planen – Machen – Auswerten ersetzen lange Abstimmungswege, Feedback und Selbstorganisation werden gefördert​. Verwaltungen profitieren von dieser Kultur: Statt strikt nach Ressort zu denken, arbeitet man projektbezogen im Team an der besten Lösung für den “Kunden” Bürger. Unternehmen wie SAP oder IBM nutzen Design Thinking bereits seit Jahren, um Innovation und teamübergreifende Zusammenarbeit voranzutreiben. In Verwaltungen entstehen ebenfalls vermehrt Innovationslabore oder Service-Design-Teams, die nach diesen Prinzipien Dienstleistungen neu denken. So können z.B. Formularprozesse oder Online-Portale gemeinsam mit Nutzern getestet und verbessert werden. Das Ergebnis sind bürgerorientierte Services, die das Vertrauen in die Verwaltung stärken, weil sie zeigen: Die Behörde versteht mich und gestaltet Angebote nach meinen Bedürfnissen.

Gamification: Spielerische Ansätze für Demokratie und Verwaltung

Routineaufgaben und Beteiligungsprozesse lassen sich motivierender gestalten, indem man Gamification-Elemente einbaut – also Spielprinzipien in eigentlich spielfremden Kontexten. Typische Game-Mechaniken sind Punkte, Abzeichen (Badges), Ranglisten oder kleine Belohnungen, die Nutzerinnen für bestimmte Aktionen erhalten​. Solche Elemente wecken den spielerischen Ehrgeiz, erhöhen die Motivation und binden Menschen aktiver ein. In Verwaltung und politischer Bildung kann Gamification Bürgerinnen dazu anregen, sich stärker zu beteiligen oder mehr über Demokratie zu lernen, indem die Aktivitäten Spaß machen und belohnt werden.

Abb.: Gamification-Beispiel Open Badges – Nutzer durchlaufen einen Prozess (Vorbereitung, Anwendung, Nutzung), um ein digitales Abzeichen zu verdienen. Solche Abzeichen-Systeme motivieren zur Teilnahme und belohnen Engagement​ (en.wikipedia.org).

Ein praktisches Beispiel ist die Stadt Salem (USA), die ein Online-Spiel namens „What’s The Point“ entwickelte, um Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung zu fördern. Einwohner konnten Ideen für die Neugestaltung ihres Viertels einreichen und erhielten dafür virtuelle Münzen; diese konnten sie an gemeinnützige Projekte „spenden“. Die drei Projekte mit den meisten Münzen bekamen reale Finanzierung​.

Dieser spielerische Wettbewerb gab jeder einzelnen Bürgerstimme einen konkreten Wert und Anreiz. Viele zuvor Passive machten mit, weil sie sehen konnten: Mein Beitrag zahlt auf ein Ziel ein und kann sogar echtes Geld für mein Lieblingsprojekt bringen. Die Stadt erhielt so wertvolles Feedback und zugleich stieg das Gemeinschaftsgefühl, da alle um das Beste für ihr Viertel spielerisch konkurrierten​.

Gamification kann auch genutzt werden, um das Interesse an Verwaltungsprozessen zu wecken. Ein Beispiel aus Hawaii zeigt, wie spielerische Elemente die Nutzung digitaler Behördendienste steigern: Die Regierung führte ein Nutzerkonto ein, mit dem Bürger*innen alle Online-Services der Verwaltung zentral nutzen können. Für jede online erledigte Behördentransaktion zeigt das System Abzeichen an – etwa wie viel Zeit, Papier oder Wegstrecke man gegenüber dem klassischen Amtsgang eingespart hat. Auf einem öffentlichen Dashboard können Bürger zudem ihre Einsparungen mit dem Durchschnitt anderer vergleichen​.

Dieses Belohnungssystem verwandelte dröge Verwaltungsgänge in ein motivierendes Erlebnis. Die Menschen hatten Spaß daran, immer mehr Dienste digital zu erledigen (“Du hast 2 Stunden Wartezeit gespart!”) und wurden sogar angeregt, auch Angebote anderer Ämter auszuprobieren, um weitere Badges zu sammeln​. Für die Verwaltung bedeutete das: weniger Papieraufwand, zufriedenere Nutzer und ein Abbau interner Silos, weil die Plattform die Zusammenarbeit aller Fachbereiche erforderte.

Daneben werden spielerische Ansätze vielfach in der politischen Bildung eingesetzt. So existieren etwa Apps und Online-Games, in denen Jugendliche eine Stadt regieren oder einen Haushalt aufstellen müssen (ähnlich einem Strategiespiel). Durch solche Simulationen – oft mit Feedback, Scores und Rankings – lernen die Teilnehmenden spielerisch die Mechanismen von Wahlen, Gesetzgebung oder Budgetentscheidungen kennen.

Ein reales Projekt aus Polen, “Budget Games”, ließ Bürger in moderierten Spiele-Sessions über städtische Finanzen entscheiden: In Gruppen priorisierten sie Ausgaben, handelten Kompromisse aus und erlebten so hautnah die Schwierigkeit, begrenzte Mittel fair zu verteilen​. Die Folge: Die Bürger entwickelten mehr Verständnis für finanzpolitische Entscheidungen und teilten die Verantwortung – in einer Stadt wurden anschließend 80% der Bürger-Vorschläge tatsächlich im Haushalt umgesetzt​.

Dieses Beispiel zeigt, wie Gamification das Vertrauen in politische Prozesse stärken kann: Die Menschen fühlen sich ernstgenommen, weil ihr Spiel-Beitrag Wirkung entfaltet, und die Politik profitiert von informierteren, engagierteren Bürger*innen.

Wichtig bei Gamification ist die richtige Balance: Die spielerischen Elemente sollen motivieren, aber ernsthafte Inhalte nicht trivialisieren. Wird Gamification clever eingesetzt – etwa um mehr Bürgerfeedback einzuholen, die Teilnahme an Wahlen oder Bürgerversammlungen zu erhöhen oder auch um Verwaltungsmitarbeiter zu schulen –, kann sie das Bürgerschaftliche Engagement wie auch die interne Produktivität signifikant steigern​.

Unternehmen nutzen solche Mechanismen längst (z.B. Mitarbeiter erhalten Punkte für eingereichte Verbesserungsvorschläge), und Verwaltungen beginnen diese „Best Practices“ zu adaptieren, um Beteiligung und Lernen mit Spaß zu verknüpfen.

Visuelles Storytelling und datenbasierte Narrative für Transparenz

Vertrauen entsteht, wenn Bürger*innen nachvollziehen können, was Verwaltung und Politik tun. Visuelles Storytelling – also das Erzählen mit Bildern, Grafiken und Daten – ist ein mächtiges Werkzeug, um komplexe Sachverhalte transparent zu machen. Durch Infografiken, interaktive Diagramme oder datengestützte Geschichten lassen sich Zahlen und Fakten so aufbereiten, dass sie verständlich und ansprechend sind. Verwaltungsdaten, ob Haushaltszahlen, Statistiken oder Projektevaluationen, werden für Laien oft erst greifbar, wenn man sie in visuelle Narrative „verpackt“​. So hilft datenbasiertes Storytelling, Kernbotschaften aus Zahlen zu destillieren und wirkungsvoll zu kommunizieren​.

Behörden weltweit experimentieren mit solchen Ansätzen. Ein Best Practice ist z.B. der Citizens’ Budget Guide in Liberia: Das liberianische Finanzministerium veröffentlicht jedes Jahr einen Bürgerleitfaden zum Staatshaushalt, der mit einfachen Grafiken, Piktogrammen und Klartext erläutert, woher die Staatseinnahmen kommen und wofür sie ausgegeben werden​. Dieser zweisprachige Budget-Guide verzichtet auf Fachkauderwelsch und nutzt visuelle Elemente, damit wirklich jede*r verstehen kann, wie das Geld des Landes verwendet wird – eine enorme Transparenzmaßnahme.

In Neuseeland wiederum bereitet der Stadtrat von Auckland seinen Jahresbericht als illustrierte Erfolgsgeschichte auf: Eine reich bebilderte Broschüre erzählt die Leistungen des Jahres wie eine kleine Geschichte und führt mit Infografiken durch die wichtigsten Kennzahlen​. Die Leser werden durch ansprechende Visuals emotional angesprochen, ohne von Zahlen erschlagen zu werden – der Bericht wird so zur unterhaltsamen Lektüre, die dennoch informiert.

Auch animierte Kurzvideos und digitale Dashboards kommen zum Einsatz. Die Generalrevisionsstelle Somalias beispielsweise fasste ihren Prüfungsbericht in einem zweiminütigen animierten Video auf Twitter zusammen, das hervorhob, was geprüft wurde, wie und was gefunden wurde, und verlinkte für Details auf den Vollbericht​.

In Sambia veröffentlichte der Rechnungshof einen vereinfachten Bericht in Form eines Comics: Mit Cartoons wurde erklärt, was die Behörde tut, wie dies das tägliche Leben der Bürger betrifft und warum es wichtig ist – z.B. anhand der Geschichte eines kleinen Geschäfts, das sich durch Steuerehrlichkeit entwickelt​. Solche kreativen Aufbereitungen machen abstrakte Verwaltungsarbeit menschlich und nahbar.

Auf kommunaler Ebene setzen immer mehr Städte Open-Data-Portale mit Storytelling-Komponenten ein. Dabei werden offene Daten nicht nur roh bereitgestellt, sondern auch mittels Story Maps, Charts und Text in Zusammenhang gebracht. Beispielsweise könnten die Kennzahlen einer Stadt (Kriminalitätsrate, Kita-Plätze, CO₂-Emissionen etc.) auf einer Website in einem erzählerischen Kontext präsentiert werden: „Unsere Stadt in Zahlen – das haben wir gemeinsam erreicht“. Bürger*innen können interaktiv erkunden, wie sich Werte entwickeln, und bekommen Erläuterungen zu Hintergründen.

Durch solche datenbasierten Narrative erhöht sich die Transparenz, weil Verwaltungshandeln mit Ergebnissen verknüpft und nachvollziehbar wird. Zudem fördert es die Dialogbereitschaft: Wenn die Öffentlichkeit Daten versteht, kann sie fundierter Fragen stellen oder mitdiskutieren.

Intern nutzt die Verwaltung visuelles Storytelling, um Entscheidungsgrundlagen zu verbessern. Dashboards für Mitarbeiter mit klar visualisierten Leistungsindikatoren oder Projektfortschritten erleichtern die interne Transparenz und damit die bereichsübergreifende Zusammenarbeit.

Insgesamt gilt: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – und eine gut erzählte Datengeschichte kann Vertrauen schaffen, indem sie zeigt, dass die Verwaltung offenlegt, was ist, und erklärt, warum Entscheidungen so ausfallen. Das trägt erheblich dazu bei, den oft zitierten „gläsernen Staat“ mit Leben zu füllen.

Partizipative Entscheidungsprozesse: Bürger als Mitentscheider

Klassische Bürgerbeteiligung (etwa Anhörungen oder Stellungnahmen) reicht vielen Menschen heute nicht mehr aus – sie wünschen sich echte Mitbestimmung bei politischen und Verwaltungsentscheidungen​. Partizipative Methoden zielen darauf ab, Bürger*innen frühzeitig und strukturiert in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. Dies kann von kleinteiligen Maßnahmen (wie der Gestaltung eines Spielplatzes) bis zu großen Fragen (wie Klimaschutzkonzepte) reichen.

Wichtig ist, dass solche Prozesse fair, ergebnisoffen und gut moderiert ablaufen, damit sich die Teilnehmenden ernst genommen fühlen und die Ergebnisse von der Breite der Bevölkerung akzeptiert werden.

Eine bewährte Methode ist die Planungszelle mit Bürgergutachten. Hierbei werden per Losverfahren zufällig ausgewählte Bürgerinnen für einige Tage eingeladen, sich intensiv mit einem bestimmten Problem auseinanderzusetzen​. In wechselnden Kleingruppen erhalten sie ausgewogene Informationen (inklusive Pro- und Contra-Positionen von Expertinnen), diskutieren die Sachlage ausführlich und erarbeiten Empfehlungen, die am Ende in einem Bürgergutachten dokumentiert werden​. Der Zufall sorgt für eine heterogene, repräsentative Zusammensetzung, was die Gemeinwohlorientierung fördert und Lobby-Einflüsse minimiert​.

Solche Bürgergutachten finden in Deutschland seit den 1970ern Anwendung und haben z.B. in Kommunen schon zu innovativen Lösungen in der Stadtentwicklung geführt. Der große Vorteil: Sachorientierte Empfehlungen, die von normalen Bürgern erarbeitet wurden, genießen hohe Legitimität – sowohl Politik als auch Öffentlichkeit messen ihnen hohes Gewicht bei, weil klar ist, dass hier “Menschen wie du und ich” nach gründiger Abwägung gesprochen haben.

Ähnlich arbeiten moderne Bürgerräte (Citizens’ Assemblies), bei denen eine ausgeloste Gruppe über mehrere Wochen diverse Aspekte eines Themas beraten. Ein aktuelles Beispiel ist der Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ 2021 oder der vom Bundestag beauftragte Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ 2023. Dort spiegelte die zufällig ausgewählte Teilnehmerschaft die Vielfalt der Gesellschaft wider (verschiedene Regionen, Alter, Bildungsgrade etc.), um unterschiedliche Lebensrealitäten einzubeziehen​. Im Prozess erhielten die Bürger*innen Fachvorträge, tauschten Erfahrungen aus und entwickelten dann gemeinsam Vorschläge. Das Ergebnis – ein Bürgergutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen – wurde an die Politik übergeben​.

Solche Bürgerräte zeigen, dass zufallsbasierte Bürgerbeteiligung sensible Themen sachlich und bürgernah diskutierbar macht​. Die Teilnehmenden gewinnen Einblicke in komplexe Materien und erleben demokratische Aushandlung praktisch, während Entscheidungstragende authentisches Feedback aus der Bevölkerung erhalten​.

Neben diesen beratenden Gremien gibt es direkte partizipative Formate wie den Bürgerhaushalt. Beim Bürgerhaushalt können Einwohner selbst Vorschläge für die Verwendung eines Teils des Budgets einreichen und darüber abstimmen​. Städte wie Paris, Madrid oder Köln haben in den letzten Jahren solche Verfahren etabliert.

Typischerweise durchlaufen die Ideen mehrere Phasen: Ideen sammeln, Bewertung (durch Verwaltung auf Machbarkeit und durch Bürger via Online-Voting) und schließlich Entscheidung über die Top-Ideen, die finanziert werden. Dieses Verfahren erhöht die Transparenz der Mittelverwendung erheblich und schafft Mitverantwortung: Bürger sehen unmittelbar, was mit „ihren“ Steuergeldern passiert, und können Projekte anstoßen, die ihnen wichtig sind​.

Gleichzeitig fördert der Prozess die Selbstorganisation und das Gemeinschaftsgefühl, weil Bürger sich vernetzen, um gemeinsam Vorschläge auszuarbeiten oder zu unterstützen​. Eine erfolgreiche Umsetzung solcher Ideen, die aus der Bürgerschaft kommen, wirkt vertrauensbildend – Verwaltung und Politik zeigen, dass sie die Prioritäten der Bürger hören und realisieren.

Nicht zu vernachlässigen sind auch digitale Tools für Partizipation. Über Online-Plattformen (wie z.B. Consul, Decidim oder adhocracy) können Verwaltungen niedrigschwellig eine breite Beteiligung ermöglichen. Bürger können dort Ideen einbringen, kommentieren und bewerten. Solche Plattformen wurden etwa in Städten wie Madrid („Decide Madrid“) eingesetzt, wo zehntausende Menschen online über städtische Vorhaben diskutierten und abgestimmt haben.

Digitale Beteiligung eignet sich gut, um eine große Zahl von Bürger*innen einzubinden und transparenter zu machen, welche Vorschläge populär sind. Allerdings ersetzen Online-Tools nicht die tiefe Deliberation wie in Bürgerräten – ideal ist eine Kombination: breite Online-Beteiligung zur Ideensammlung und repräsentative Mini-Publics (wie Bürgerräte) zur vertieften Beratung. Dieses Konzept verfolgt z.B. das Pilotprojekt “Forum gegen Fakes” in Deutschland, das eine offene Online-Beteiligung mit einem ausgelosten Bürgerrat verzahnt​.

Für Verwaltungen bedeutet die Öffnung von Entscheidungsprozessen einen Kulturwandel. Behörden müssen bereit sein, ein Stück Macht abzugeben und Bürger als Partner auf Augenhöhe zu betrachten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich dies auszahlt: Entscheidungen, die gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt wurden, stoßen auf mehr Verständnis und Vertrauen. Konflikte lassen sich oft entschärfen, wenn Bürger früh eingebunden waren und den Prozess nachvollziehen konnten.

Zudem erhält die Verwaltung qualitativ bessere Informationen – lokale Kenntnisse, neue Blickwinkel – die intern so nicht vorhanden wären. Partizipative Prozesse stärken letztlich die Demokratie, weil sie zeigen: Mitsprache ist nicht nur alle vier Jahre bei Wahlen möglich, sondern kontinuierlich. Dadurch fühlen sich Menschen ernster genommen, was dem Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und Verwaltung zugutekommt.

Vertrauensbildung durch bürgernahe Kommunikation

Eine zentrale Voraussetzung, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, ist eine Kommunikationsstrategie, die Nähe und Transparenz schafft. Verwaltungskommunikation galt lange als bürokratisch und unpersönlich – doch viele Behörden setzen mittlerweile auf einen bürgerfreundlicheren Ansatz. Konkret bedeutet das: Klarheit, Empathie und Dialogbereitschaft in jeder Interaktion.

Ein wichtiger Aspekt ist die Sprache. Formulierungen sollten klar, verständlich und direkt sein, statt Bürger mit Amtsdeutsch vor den Kopf zu stoßen. Bürgerfreundliche Kommunikation ersetzt komplizierte Fachsprache durch einfache Worte, was Missverständnisse reduziert und Vertrauen stärkt​.

Zum Beispiel klingt „Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom…“ distanziert; deutlich bürgernäher ist „Danke für Ihre Nachricht, vom…“. Kurze Sätze, aktive Formulierungen („Wir haben entschieden“ statt „Es wurde entschieden“​) und das Vermeiden von Abkürzungen oder Paragraphenreiterei signalisieren dem Gegenüber: Hier bemüht sich jemand, dass ich es verstehe. Das spart auf beiden Seiten Zeit und Nerven. Die Höflichkeit und Wertschätzung im Ton sind ebenso wichtig – eine freundliche Anrede und geduldiges Eingehen auf Fragen fördern Nähe und Akzeptanz​. Wenn Bürger spüren, dass ihre Anliegen ernst genommen werden, wächst das Vertrauen in die Institution.

Neben dem Was zählt das Wie der Kommunikation. Schnelle, transparente Rückmeldungen auf Anfragen oder Anliegen helfen, Unsicherheiten abzubauen​. Nichts untergräbt Vertrauen mehr als Funkstille oder das Gefühl, im Behördendschungel allein gelassen zu sein. Daher setzen moderne Verwaltungen vermehrt auf Service-Orientierung: Bürgertelefone, Online-Chatbots oder Social-Media-Teams beantworten Fragen zeitnah und binden die Bürger aktiv ein.

So hat etwa die Stadt Wien einen sehr präsenten Social-Media-Auftritt, der Bürgerfragen in Kommentarspalten beantwortet und aktuelle Verwaltungsthemen in verständlicher, oft humorvoller Weise erklärt. Solche Einblicke in den Verwaltungsalltag – z.B. ein Instagram-Post „Ein Tag im Bürgerbüro“ – schaffen Nähe, weil sie die Menschen hinter der Institution zeigen.

Transparente Kommunikation bedeutet auch, Fehler einzugestehen und offen mit Schwierigkeiten umzugehen. Wenn eine Behörde offensiv kommuniziert „Wir haben aus Fehler X gelernt und verbessern Prozess Y“, stärkt das Glaubwürdigkeit. Hier kommt das Prinzip der Authentizität, Logik und Empathie ins Spiel: Dieses „Trust Triangle“ beschreibt, dass Botschaften authentisch (ehrlich und konsistent mit den Werten), logisch nachvollziehbar und empathisch (mitfühlend gegenüber den Betroffenen) sein müssen​. Eine Verwaltungsleiterin, der/die z.B. bei einem Bürgertreff offen zugibt „Ja, da lief etwas schief, wir verstehen Ihren Ärger und arbeiten an einer Lösung“, deckt all diese Aspekte ab – und wird wahrscheinlich mehr Vertrauen ernten als jemand, der die Dinge beschönigt.

Best Practices gibt es auch hier: In Estland etwa, das für seine digitale Verwaltung bekannt ist, werden Bürger nach Nutzung von Onlinediensten um Feedback gefragt und die Ergebnisse (Zufriedenheitswerte, häufige Kritikpunkte) anschließend öffentlich gemacht. Dieses Feedback-Loop-Kommunizieren zeigt Bürgern, dass ihre Stimme gehört wird, und die Verwaltung wiederum demonstriert Transparenz, indem sie die Kritik nicht versteckt.

In Deutschland hat das Bundesverwaltungsamt einen Leitfaden für bürgernahe Verwaltungssprache entwickelt, der Mitarbeitenden hilft, Schreiben in verständlichem Deutsch zu verfassen​. Solche Initiativen professionalisieren die Behördenkommunikation im Sinne der Bürgerorientierung.

Nicht zuletzt muss interne und externe Kommunikation zusammengedacht werden. Interne Transparenz und Kollaboration – etwa regelmäßige abteilungsübergreifende Meetings, in denen Informationen ausgetauscht werden – sorgen dafür, dass alle Beschäftigten auf dem gleichen Wissensstand sind. Wenn die rechte Hand weiß, was die linke tut, kann sie konsistente Auskünfte geben.

Schulungen in Kommunikationsfähigkeiten, Storytelling oder Krisenkommunikation für Verwaltungsmitarbeiter sind ebenfalls sinnvoll, damit auf allen Ebenen professionell und bürgernah kommuniziert wird.

Eine vertrauensbildende Kommunikationsstrategie zieht sich durch alle Kanäle: vom persönlichen Gespräch am Empfang über die Pressemitteilung bis zum Facebook-Post. Sie zentriert die Bürger – ihre Fragen, Sorgen und Lebensrealitäten – und bemüht sich um echten Dialog. So entsteht nach und nach ein neues Verhältnis: Weg vom Obrigkeitsstaat hin zu einer Verwaltung auf Augenhöhe, die sich als Dienstleister und Partner der Bürger versteht. Langfristig legt dies den Grundstein für mehr gegenseitiges Vertrauen und stärkt die Demokratie im Kleinen wie im Großen.

Praxisbeispiele und sektorübergreifende Impulse

Zur Veranschaulichung seien abschließend einige Best Practices aus verschiedenen Bereichen genannt, von denen Verwaltungen lernen können:

  • Verwaltung:
    Mehrere Kommunen haben Innovationslabore eingerichtet – z.B. das GovLab Arnsberg in NRW – in denen Mitarbeiter mit Design-Thinking-Methoden Verwaltungsleistungen neu entwickeln. Dabei werden auch Bürger einbezogen, um sicherzustellen, dass die Lösungen praxistauglich sind.
    Ein anderes Beispiel ist die Stadt Ulm (siehe oben), die durch Urban Design Thinking Bürgerwissen für die Smart-City-Entwicklung nutzte​. Außerdem greifen Verwaltungen vermehrt auf spielerische Formate zurück: In Hamburg gab es 2019 einen Beteiligungshaushalt, bei dem die Vorschläge auf einer Online-Plattform wie in einem Wettbewerb gegeneinander antraten – inklusive Rankings und „Duell der Ideen“. Solche Experimente zeigen, dass Verwaltungen durchaus kreativ kommunizieren können, ohne ihre Seriosität zu verlieren.
  • NGOs und Zivilgesellschaft:
    Organisationen wie Mehr Demokratie e.V. oder Stiftungen (z.B. Bertelsmann Stiftung mit ihrem Projekt „Forum gegen Fakes“) treiben neue Beteiligungsmodelle voran. Sie experimentieren mit Bürgerdialogen, Online-Beteiligungen und Bürgerräten und zeigen der öffentlichen Hand, wie man Bürger erfolgreich aktiviert. Das oben erwähnte Beispiel des Bürgerrats gegen Desinformation wurde von einer Stiftung in Kooperation mit dem Innenministerium durchgeführt – ein Modellfall für Public-Civic Partnership.
    Auch im Storytelling sind NGOs Vorreiter: Umweltorganisationen wie Greenpeace erzählen in Kampagnen persönliche Geschichten Betroffener (etwa von Bewohnern pazifischer Inseln, die vom Klimawandel bedroht sind), um politische Veränderung anzustoßen. Verwaltungen können sich hier abschauen, wie man Emotion und Fakt balanceiert, um Interesse für wichtige Themen zu wecken.
    Ein weiteres Feld ist Open Data – zivilgesellschaftliche Tech-Initiativen wie Code for Germany erstellen Visualisierungen oder Apps auf Basis offener Verwaltungsdaten, die Geschichten erzählen (z.B. eine Anwendung, die zeigt, wie Haushaltsgelder bis hin zum einzelnen Projekt fließen). Solche Kooperationen zwischen Verwaltung und Civic Tech Community bringen frischen Wind und erhöhen die Glaubwürdigkeit von staatlicher Transparenz.
  • Unternehmen:
    Aus der Wirtschaft stammen viele der hier genannten Methoden. Design Thinking wurde im Silicon Valley populär und ist heute bei Konzernen Standard, um kundenzentrierte Innovation zu fördern – Verwaltungen adaptieren dies, um bürgerzentriert zu arbeiten.
    Agile Methoden wie Daily Stand-ups, Kanban-Boards oder Hackathons stammen ebenfalls aus der IT-Branche und finden ihren Weg in Behörden (Stichwort „Agile Verwaltung“), um intern flexibler und kooperativer zu werden. Gamification nutzen Unternehmen z.B. im Marketing oder im Personalwesen (etwa in Form von Bonuspunkten-Programmen oder spielerischen Weiterbildungsplattformen).
    Ein Beispiel ist Microsoft, das ein internes Badge-System einführte, mit dem Mitarbeiter für das Erlernen neuer Skills Auszeichnungen erhalten – Verwaltungen könnten ähnliches tun, um digitale Fortbildungen ihrer Beschäftigten attraktiver zu machen.
    Auch visuelles Management ist in Firmen üblich: Dashboards zur Leistungsmessung oder Storytelling in Geschäftsberichten (etwa wenn ein CEO den Unternehmenserfolg anhand der Geschichte einer Kundin illustriert). Solche Techniken lassen sich auf die Verwaltung übertragen, um z.B. den Jahresbericht einer Stadt wirkungsvoller zu gestalten oder die Ziele einer Digitalisierungsstrategie intern klar zu kommunizieren.

Zusammenfassend zeigt sich, dass Verwaltungsmodernisierung nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Kreativität ist. Strategisch fundiert und praxisnah umgesetzt, können Storytelling, Design Thinking, Gamification & Co. das Verhältnis zwischen Staat und Bürger positiv verändern. Bürger fühlen sich ernst genommen und beteiligen sich eher an demokratischen Prozessen, wenn Kommunikation sie emotional erreicht, Beteiligung niederschwellig und interessant ist und Entscheidungen transparent gemacht werden. Gleichzeitig steigt intern die Motivation der Mitarbeitenden, wenn eine Kultur der Offenheit, des Ausprobierens und der Zusammenarbeit geschaffen wird.

Die Verwaltung der Zukunft vereint also Rationalität mit Kreativität: Sie informiert faktenbasiert, erzählt aber auch die Geschichten hinter den Fakten. Sie plant strategisch, entwickelt Lösungen aber in Co-Kreation mit den Nutzern. Sie entscheidet rechtmäßig, zieht Bürger*innen jedoch mit neuen Partizipationsformaten in die Entscheidungsfindung ein. Und sie kommuniziert verlässlich, tritt aber zugleich dialogisch und bürgernah auf.

All das stärkt das Vertrauen in staatliches Handeln und fördert die demokratische Kultur. Verwaltungen, die diese kreativen Methoden mutig einsetzen, werden feststellen, dass sich der Aufwand lohnt – denn eine Verwaltung, die innovativ kommuniziert und agiert, wird von der Bevölkerung nicht als bürokratisches „Gegenüber“, sondern als Partner wahrgenommen. Dies ist letztlich der Schlüssel, um gemeinsam die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.

Quellen:

  • Carolin Hartmann: “Mit Geschichten überzeugen – Storytelling in der politischen Kommunikation”, Konrad-Adenauer-Stiftung (2023)​
    kas.de
  • City & Bits: “Bürgerbeteiligung in Ulm mit Urban Design Thinking” (15. Juli 2021)
    cityandbits.de
  • Wikipedia: “Gamification” – Definition und Einsatzgebiete von Gamification​
    en.wikipedia.org
  • Stephen Goldsmith: “Boosting Engagement by Gamifying Government”, GovTech (Sept. 2017) – Beispiele aus Santiago, Salem und Hawaii​
    govtech.com
  • ZHAW Leitfaden für Data Storytelling im öffentlichen Sektor – Beispiele Liberia, Auckland, Sambia​
    zhaw.ch
  • nexus Institut: Methodenblatt Planungszellen/Bürgergutachten
    partizipative-methoden.de
  • Bertelsmann Stiftung: “Warum Bürgerräte? Wählen allein reicht vielen nicht…”, Projekt „Forum gegen Fakes“ (2024)​
    bertelsmann-stiftung.de
  • WORTLIGA: “Bürgerfreundliche Kommunikation” – Tipps für verständliche und wertschätzende Behördensprache​
    wortliga.de
  • Partnership for Public Service (USA): “Building trust in government through strategic communications” (2023) – Trust Triangle aus Authentizität, Logik, Empathie​
    ourpublicservice.org

Daniela Vey

Seit 2004 als leidenschaftliche Informationsdesignerin selbständig. Neben meiner Tätigkeit als Dozentin für verschiedene Hochschulen und Akademien, vermittle ich mit Begeisterung mein Expertenwissen in den Bereichen Social Media, Design und User Experience. Auf der AllSocial-Konferenz trifft man mich als Moderatorin und Speakerin.

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