Strategie für kommunale Kommunikation: Unsere Demokratie schützen und rechte Einflussnahme minimieren
Öffentlich verbreitete Desinformation wirkt wie ein lautstarkes Megafon, das Vertrauen in demokratische Institutionen untergräbt. Eine Bertelsmann-Studie 2024 ergab, dass 81 % der Deutschen Desinformation als Gefahr für Demokratie und Zusammenhalt sehen. Öffentlich Bedienstete müssen dem mit kluger Kommunikation begegnen.
Demokratien in Deutschland und Europa stehen unter Druck durch Desinformation, Verschwörungsmythen und gezielte Stimmungsmache von rechts. Rechtspopulistische Akteure wie die AfD schaffen eigene Medienkanäle und ein „digitales Volk“ an Followern, während sie unabhängige Medien als „Lügenpresse“ diffamieren. Solche Strategien zielen darauf ab, extreme Positionen salonfähig zu machen und das Meinungsklima nach rechts zu verschieben.
Gleichzeitig sinkt das Vertrauen vieler Bürger:innen in Politik, Medien und Institutionen. Nur etwa 34 % der Deutschen vertrauen den Nachrichtenmedien, Parteien genießen mit 26 % noch weniger Vertrauen. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen und wehrhafte Demokratie aktiv zu kommunizieren, ist die Aufgabe von Kommunikationsverantwortlichen in öffentlichen Einrichtungen.
Im Folgenden werden fünf Handlungsfelder – von strategischer Kommunikation über politische Bildung und Medienkompetenz bis hin zu positivem Framing und neuen Dialogräumen – beleuchtet und praxisnahe Empfehlungen gegeben.
1. Strategische Kommunikation für demokratische Werte
Proaktive und transparente Botschaften
Öffentlichkeitsarbeit sollte Desinformation offensiv begegnen – durch faktenbasierte und transparente Kommunikation. Das bedeutet, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und Gerüchte schnell mit überprüfbaren Fakten zu entkräften. Wenn rechte Propaganda falsche Behauptungen über Regierung oder Behörden streut, müssen die zuständigen Stellen diese aktiv richtigstellen.
Wichtig ist, dabei nicht nur defensiv zu reagieren, sondern eigene positive Narrative zu setzen. Statt ständig auf populistische Schlagworte aufzuspringen, können Institutionen Themen aus demokratischer Perspektive framEN: beispielsweise Migration als Gewinn für Wirtschaft und Gesellschaft darstellen, anstatt Rechtsextremen das Deutungsvorrecht zu überlassen.
Einheitliche Leitlinien und Krisenkoordination
Alle staatlichen Stellen sollten in ihrer Kommunikation demokratische Kernbotschaften vermitteln – Würde, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt und Zusammenhalt. Ein abgestimmtes Wording und gemeinsame Kampagnen verstärken die Wirkung. In Krisenzeiten (z. B. Pandemien, Wahlen) ist eine behördenübergreifende Task-Force Kommunikation sinnvoll. So wurde in Deutschland etwa eine Task Force gegen Desinformation eingerichtet, um Desinformationskampagnen (z. B. aus Russland) zu erkennen und koordiniert darauf zu reagieren.
Diese Task-Force stellt sicher, dass Regierung und Behörden entschlossen und schnell handeln, Falschinformationen entlarven und die Bevölkerung bei akuten Desinformationswellen umgehend warnen. Kommunikationsverantwortliche sollten feste Abläufe für Krisenkommunikation etablieren – inklusive Monitoring von sozialen Netzwerken und schnell abrufbaren Faktenchecks für Pressesprecher.
Emotional intelligentes Framing
Demokratische Kommunikation darf Emotionen nicht den Populisten überlassen. Wut und Angst werden von rechts instrumentalisiert – dem kann man Hoffnung, Sehnsucht nach Gemeinschaft und Stolz auf demokratische Erfolge entgegensetzen. Geschichten über gelungene Bürgerbeteiligung, erfolgreiche Integrationsprojekte oder couragierte Bürger:innen können abstrakte Werte greifbar machen.
Etwa könnte eine Stadtverwaltung die Geschichte einer Bürgerinitiative erzählen, die in einem demokratischen Prozess einen neuen Kindergarten erstritten hat – als Beispiel dafür, dass Demokratie liefern kann.
Wichtig ist, Bürgernähe zu zeigen: Wenn Menschen spüren, dass Behörden ihre Alltagsprobleme verstehen und Lösungen anstreben, untergräbt das die Resonanz von Vereinfachungen der extremen Rechten.
Empfehlungen (Strategische Kommunikation):
- Narrative aktiv gestalten: Entwickeln Sie Leitnarrative, die demokratische Werte attraktiv vermitteln (z. B. “Gemeinsam sind wir stärker”, “Vielfalt als Stärke”). Schulen Sie Sprecher:innen darin, positive Frames statt Abwehrhaltung zu nutzen
- Mythen zügig entkräften: Richten Sie ein internes Monitoring-Team ein, das Online-Gerüchte und rechte Narrative früh erkennt. Stellen Sie klarstellende Faktenchecks bereit, um Falschmeldungen rasch richtigzustellen – idealerweise bevor sie große Verbreitung finden (Stichwort Prebunking).
- Transparenz schaffen: Kommunizieren Sie offen über Entscheidungsprozesse und Fehler. Eine ehrliche, transparente Informationspolitik stärkt Glaubwürdigkeit und nimmt Verschwörungserzählern den Nährboden.
- Netzwerke nutzen: Arbeiten Sie mit vertrauenswürdigen Multiplikatoren (Journalist:innen, lokale Influencer, Vereine) zusammen, die demokratische Botschaften in verschiedene Bevölkerungsgruppen tragen. So durchbrechen Sie Filterblasen, in denen rechte Desinformation zirkuliert.
2. Politische Bildung und Aufklärung gegen Desinformation
Bewusstsein schärfen
Ein Großteil der Bevölkerung erkennt Desinformation zwar als Problem, doch viele fühlen sich persönlich nicht betroffen und prüfen Inhalte kaum kritisch. Hier müssen öffentliche Einrichtungen Aufklärung leisten: Was sind typische Taktiken rechter Propaganda? Wie erkenne ich Fake News?
Kampagnen zur Sensibilisierung können breite Wirkung entfalten. So fördert die Bundesregierung im Programm „Demokratie leben!“ zahlreiche Projekte, die Bürger:innen den Umgang mit Fakes und Verschwörungsmythen vermitteln. Kommunale Stellen könnten ähnlich lokale Workshops oder Social-Media-Aktionen initiieren.
Zum Beispiel kann eine Stadt Bibliotheken nutzen, um Infoabende zu veranstalten, oder in Amtsblättern regelmäßige Tipps zum Erkennen von Desinformation abdrucken. Wichtig ist ein niedrigschwelliger Ansatz: Die Informationen müssen alle Bürger:innen erreichen, nicht nur politisch Aktive.
Medienkompetenz fördern – von klein auf
Politische Bildung sollte bereits in Schulen und Jugendzentren ansetzen. Junge Menschen müssen lernen, Quellen kritisch zu prüfen und manipulative Inhalte zu durchschauen. Lehrpläne können um Module zu „Fake News“ und Hassrede-Erkennung ergänzt werden. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen bieten hierfür bereits Material im Medienkompetenzrahmen an (z. B. das Projekt „So geht Medien“, das Desinformation kindgerecht erläutert).
Öffentliche Einrichtungen können Kooperationen mit Schulen, Volkshochschulen und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) eingehen, um Workshops und Unterrichtsmaterial bereitzustellen.
Auch intergenerationelle Formate lohnen sich: Gerade ältere Menschen, die nicht mit digitalen Medien aufgewachsen sind, benötigen Unterstützung beim Umgang mit Messengern, Kettenbrief-Gerüchten und sozialen Netzwerken.
“Inokulation” und präventive Aufklärung
Neben klassischem Debunking (Widerlegen von Falschinformationen) gewinnt das Konzept des Prebunking an Bedeutung. Aktuelle Studien zeigen, dass kurze Videos, die gängige Manipulationstechniken erklären, Nutzer „immunisieren“ können. Ein Beispiel ist das von Psycholog:innen der Universität Cambridge entwickelte 90-Sekunden-Video, das mit Humor die Tricks von Propagandisten (wie Sündenbock-Rhetorik oder falsche Dichotomien) entlarvt – bereits eine einmalige Ansicht erhöhte die Fähigkeit der Zuschauer, Desinformation zu erkennen.
Kommunikationsverantwortliche sollten solche Erkenntnisse nutzen: Präventive Bildungsangebote (online und offline) können Bürger*innen vor einer Desinformationswelle “impfen”. Denkbar sind kurze Erklärvideos auf den Social-Media-Kanälen von Städten und Ministerien, Quiz-Formate oder Spiele (z. B. das Online-Spiel „Bad News“, bei dem man selbst zum Fake-News-Macher wird, um die Mechanismen zu verstehen).
Wichtig ist, komplexe Inhalte anschaulich und zielgruppengerecht aufzubereiten – etwa mittels Alltagsbeispielen oder popkulturellen Anspielungen, damit die Botschaft hängenbleibt.
Allianzen mit Zivilgesellschaft
Öffentliche Hand und Zivilgesellschaft sollten Hand in Hand arbeiten. Initiativen wie No Hate Speech, Correctiv oder lokale Bündnisse gegen Rechts können bei der Aufklärung helfen. Ein Netzwerk aus Verwaltung, Bildungsstätten, Medienanstalten und NGOs kann gemeinsame Kampagnen starten – etwa Aktionstage gegen Fake News oder eine breit beworbene Infoseite zu Desinformation.
Die Erfahrung zeigt, dass solche breiten Bündnisse mehr Vertrauen genießen als alleinige Behördenkommunikation.
Empfehlungen (Politische Bildung & Aufklärung):
- Multimediale Aufklärungskampagnen: Entwickeln Sie ansprechende Kampagnen (Videos, Grafiken, Podcasts), die typische Fake-News-Maschen entlarven. Nutzen Sie präventive Ansätze (Prebunking), um Bürger:innen zu „impfen“.
- Medienkompetenz-Angebote ausbauen: Stellen Sie Schulen und Volkshochschulen kostenfreies Material und Referent:innen zur Verfügung, um Faktentests, Quellenprüfung und Diskussion über rechte Propaganda in den Unterricht zu integrieren
- Lokale Anlaufstellen schaffen: Etablieren Sie in Bibliotheken, Jugendzentren oder Online-Portalen Ihrer Kommune Beratungsangebote (z. B. „Frag den Faktenchecker“-Sprechstunden). So erreichen Sie auch Bürger:innen, die ansonsten mit politischer Bildung wenig in Berührung kommen.
- Erfolge sichtbar machen: Kommunizieren Sie positive Beispiele von Menschen, die dank besserer Informationskompetenz nicht auf Betrug hereinfielen oder sich gegen Hetze gewandt haben. Solche Geschichten motivieren andere, kritisch zu bleiben.
3. Medienkompetenz stärken & digitale Plattformen regulieren
Digitale Nachrichtenkompetenz für alle
Medienkompetenz endet nicht im Klassenzimmer – sie ist eine lebenslange Aufgabe. Öffentliche Einrichtungen sollten Bürger:innen aller Altersgruppen helfen, in der digitalen Informationsflut den Überblick zu behalten. Das beinhaltet Nachrichtenkompetenz (Unterscheiden von Nachricht und Kommentar, Erkennen von Clickbait) und Technikkompetenz (z. B. wie funktionieren Algorithmen?).
Die Bundesregierung betont explizit die Stärkung der Medien- und Nachrichtenkompetenz jedes Einzelnen als Schwerpunkt gegen Desinformation. Praktisch können Behörden etwa auf ihren Websites Toolboxen anbieten: Checklisten („Wie erkenne ich gefälschte Profile?“), Erklärvideos zu Social-Media-Algorithmen oder Links zu verifizierten Faktenchecks.
Bibliotheken entwickeln sich mancherorts zu “Digital-Lotsen” – sie verleihen nicht nur Bücher, sondern bieten Workshops zur Internetnutzung an. Öffentliche Kommunikation sollte solche Angebote sichtbar machen und kontinuierlich bewerben.
Plattformregulierung konsequent umsetzen
Ein Großteil rechter Desinformation verbreitet sich über große Social-Media-Plattformen und Messenger. Hier braucht es klare Regeln und deren Durchsetzung. Die EU hat mit dem Digital Services Act (DSA) im Jahr 2022 einen wichtigen Schritt getan: Große Online-Plattformen sind nun verpflichtet, Risikoanalysen zu Desinformation vorzunehmen und entgegenzuwirken. Zudem können illegale Inhalte (etwa volksverhetzende Falschaussagen) schneller entfernt werden.
Kommunikationsverantwortliche sollten diese neuen Möglichkeiten nutzen, indem sie z. B. problematische Inhalte zügig über die vorgesehenen Meldewege anzeigen und auf Löschung oder Korrektur drängen. Gleichzeitig müssen sie öffentlich darauf hinweisen, wenn Plattformen ihren Pflichten nicht nachkommen. Die Bertelsmann-Studie empfiehlt sogar, soziale Netzwerke zu verpflichten, Faktenchecks und Vertrauensbewertungen für Inhalte anzuzeigen.
Öffentliche Stellen können sich auf EU-Ebene für solche weitergehenden Maßnahmen starkmachen und interimistisch mit Plattformbetreibern kooperieren (z. B. freiwillige Codes of Practice gegen Desinformation).
Unabhängigen Journalismus fördern
Freie, professionelle Medien sind ein Bollwerk gegen rechtsextreme Propaganda. Doch gerade lokale und investigative Medien stehen finanziell und politisch unter Druck. Öffentliche Einrichtungen können auf verschiedenen Ebenen helfen, Medienvielfalt und -qualität zu sichern: In Deutschland wie auf EU-Ebene werden gesetzliche Rahmen geschaffen, etwa der geplante European Media Freedom Act, der redaktionelle Unabhängigkeit und Quellenschutz stärken soll. Behördenkommunikator:innen sollten diese Bemühungen unterstützen und ihre Bedeutung der Bevölkerung erklären.
Zudem kann man lokale Medienpartnerschaften pflegen – z. B. regelmäßige Hintergrundgespräche anbieten, damit Journalisten komplexe Themen besser einordnen können, anstatt dass simple rechtspopulistische Narrativen dominieren.
Eine weitere Maßnahme: Pressefreiheit verteidigen. Rechtsextreme Akteure versuchen oft, kritische Journalist:innen einzuschüchtern. Hier sollten öffentliche Stellen klar Haltung zeigen, Angriffe auf die Presse verurteilen und – wenn nötig – rechtliche Schritte unterstützen. Schließlich ist auch die öffentliche-rechtliche Medienlandschaft ein Schatz, den es zu hüten gilt.
In manchen Ländern wird versucht, den öffentlichen Rundfunk politisch zu schwächen; dem muss aktiv entgegengetreten werden, denn mehr unabhängiger öffentlicher Journalismus hilft, Desinformation zurückzudrängen.
Empfehlungen (Medienkompetenz & Regulierung):
- Breit angelegte Medienbildung: Organisieren Sie Bürgerworkshops, Tutorials und Info-Materialien, die digitale Kompetenzen fördern – insbesondere für jene, die weniger internetaffin sind (Senioren, ländliche Bevölkerung). Kooperationen mit Volkshochschulen und Medienanstalten können die Reichweite erhöhen.
- Rechtliche Möglichkeiten nutzen: Machen Sie aktiv Gebrauch von neuen Regulierungstools wie dem DSA. Schulen Sie Mitarbeiter, wie man effektiv Rechtsverletzungen (z. B. volksverhetzende Posts) meldet, und nutzen Sie direkte Kontakte zu Plattform-Beauftragten, um schnelle Reaktionen zu erzielen.
- Monitoring & unabhängige Beobachtung: Unterstützen Sie ein systematisches Monitoring der digitalen Öffentlichkeit – idealerweise gemeinsam mit unabhängigen Stellen. Die Forschung sollte kontinuierlich beobachten, welche Desinformations-Trends aufkommen (z. B. Deepfakes), damit Kommunikationsteams rechtzeitig gegensteuern können.
- Medienpartnerschaften stärken: Laden Sie lokale Medienvertreter regelmäßig zu Runden Tischen ein. Geben Sie exklusive Einblicke in Projekte der Kommune/Behörde, um konstruktive Berichterstattung zu ermöglichen. Zeigen Sie offen Wertschätzung für journalistische Arbeit – das signalisiert Bürger:innen, dass kritische Medien keine Gegner, sondern Verbündete der Demokratie sind.
4. Positives Narrativ für Demokratie, Gleichberechtigung und Frieden
Ein zukunftsgerichtetes Leitbild vermitteln
Demokratische Werte müssen nicht abstrakt bleiben – sie lassen sich in greifbare Visionen übersetzen. Eine zentrale Empfehlung von Demokratieforscher:innen lautet, ein überzeugendes, inklusives und positives Narrativ über unsere gemeinsame Zukunft zu entwickeln.
Anstatt auf die Angstmacherei der Populisten einzugehen, sollte die Kommunikation für etwas stehen: Was bietet Demokratie den Menschen? Hier gilt es, Fortschritt und Zusammenhalt in den Vordergrund zu rücken. Beispielsweise kann betont werden, dass Maßnahmen für Gleichberechtigung und Vielfalt allen nutzen – sie schaffen Gerechtigkeit und nutzen Talente, was dem ganzen Land zugutekommt. Oder: Die europäische Einigung hat Frieden gebracht – eine Erfolgsgeschichte, die fortgeschrieben wird, indem Europa gemeinsam aktuelle Krisen meistert. Solche positiven Erzählungen – von der EU als Friedensmacht bis zur Gemeinde, in der Bürgerpartizipation konkrete Verbesserungen schuf – geben den Menschen ein Gefühl von Sinn und Perspektive.
Emotionale Ansprache und Empathie
Ein Wir-Gefühl ist entscheidend, um dem Narrativ der Spaltung von Rechtsaußen entgegenzutreten. Kommunikationsverantwortliche sollten Botschaften der Gemeinsamkeit senden: “Wir als Stadt/Region schaffen das gemeinsam – niemand wird zurückgelassen.” Dabei darf ruhig emotional erzählt werden.
Geschichten über echte Menschen können Vertrauen in demokratische Prozesse stärken. Etwa die Erfolgsgeschichte einer Migrantin, die sich vom Flüchtling zur geschätzten Pflegekraft hocharbeitete – als Beispiel für gelungene Integration durch freiheitliche Chancen. Oder ein Porträt des langjährigen Wahlhelfers, der zeigt, wie gewissenhaft jede Stimme ausgezählt wird – das schafft Vertrauen in Wahlen.
Wichtig ist, vielfältige Identifikationsfiguren zu präsentieren: Frauen und Männer, Jung und Alt, Menschen verschiedener Herkunft, die alle auf ihre Weise die Demokratie mittragen. So erkennen sich mehr Bürger:innen in der Demokratie wieder.
Vertrauen durch Teilhabe zurückgewinnen
Kommunikation allein genügt nicht – sie muss von sichtbarer Bürgerbeteiligung untermauert sein. Studien zeigen, dass Menschen deutlich mehr Vertrauen in die Regierung haben, wenn sie das Gefühl haben, mitbestimmen zu können. Wer sich gehört fühlt, wird Demokratie positiver wahrnehmen.
Daher sollten Kommunikator:innen aktiv auf Partizipationsmöglichkeiten hinweisen und diese als Teil des demokratischen Narrativs verkaufen: “Deine Stimme zählt, wir hören zu.” Das kann bedeuten, Bürgerhaushalte oder Online-Konsultationen öffentlichkeitswirksam zu begleiten. Wenn z. B. eine Stadt einen Bürgerrat einberuft, sollte die Öffentlichkeitsarbeit die Ergebnisse dieses Gremiums feiern und den Einfluss auf die Politik transparent machen. So sehen die Menschen, dass Demokratie mehr ist als Wahlen alle paar Jahre – sie können kontinuierlich Einfluss nehmen.
Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist entscheidend: Laut OECD-Umfrage vertrauen 69 % derjenigen der Regierung, die meinen, Mitspracherecht zu haben, aber nur 22 % derjenigen ohne dieses Gefühl. Kommunale Kommunikation sollte daher stets vermitteln: “Wir kümmern uns um eure Anliegen, die Demokratie liefert Lösungen – mit eurer Hilfe.”
Lösungsorientierte Kommunikation
Rechtspopulismus gedeiht auf dem Nährboden ungelöster Probleme und wahrgenommener Ungerechtigkeit. Öffentlichkeitsarbeit sollte offen Probleme benennen, aber immer verbunden mit Lösungsansätzen.
Anstatt defensiv Erfolge aufzuzählen, sollte empathisch anerkannt werden, wo Bürger frustriert sind (z. B. “Ja, wir wissen, dass viele von euch sich abgehängt fühlen…”). Direkt im Anschluss muss jedoch gezeigt werden, was konkret getan wird, um das zu ändern (“…darum investieren wir in den ländlichen Nahverkehr und Sie können über das Liniennetz mitentscheiden”). Dieses Eingehen auf legitime Sorgen entzieht Demagogen den Wind aus den Segeln.
Zudem sollten Erfolge, sobald erreicht, dann auch laut und positiv kommuniziert werden. Jede neu sanierte Schule, jede digitale Bürgerservice-Innovation sollte als Sieg der demokratischen Gestaltung vermittelt werden. So entsteht Stück für Stück wieder Zuversicht, dass demokratische Prozesse funktionieren.
Empfehlungen (Positives Narrativ):
- Zukunftsvision entwerfen: Formulieren Sie ein Leitbild, wie Ihre Stadt/Organisation in 10–20 Jahren aussehen soll, wenn Demokratie und Vielfalt erfolgreich wirken (z. B. “2035: klimaneutral, sozial gerecht und wirtschaftlich stark – durch Demokratie”). Verankern Sie dieses positive Zukunftsbild in Ihrer gesamten Kommunikation.
- Wertschätzung ausdrücken: Heben Sie in Reden und Pressemitteilungen stets die Beiträge verschiedener Gruppen zur Gesellschaft hervor (Pflegende, Ehrenamtliche, Unternehmer*innen, Kulturschaffende…). So vermitteln Sie, dass jede/r wichtig ist und Teil des „Wir“ in der Demokratie.
- Erzählformate nutzen: Setzen Sie auf Storytelling – etwa regelmäßige Bürgerporträts in Ihrem Amtsblatt oder Social-Media-Kanal, die demokratische Erfolgserlebnisse zeigen. Menschen erinnern sich an Geschichten besser als an Zahlen.
- Dialogbereitschaft zeigen: Kommunizieren Sie feedbackorientiert – führen Sie Bürgersprechstunden (auch digital) ein und berichten Sie anschließend öffentlich, welche Anliegen eingebracht wurden und wie Sie darauf reagieren. Dieses Feedback-Schleifen-Schließen ist zentral, um Vertrauen in die Responsivität der Politik wiederherzustellen.
5. Der „Dritte Raum“: Alternative Diskursräume schaffen
Jenseits der Filterblasen
Klassische Medien und offene Social-Media-Plattformen sind oft Schlachtfelder polarisierten Meinungskampfes. Es braucht alternative Diskursräume – einen „dritten Raum“ neben etablierten Medien und privaten Online-Netzwerken – wo Bürger:innen frei von Shitstorms und Algorithmenzwängen diskutieren können. Dieses Konzept eines neutralen Austauschsraums bietet die Chance, Extrempositionen den Nährboden zu entziehen.
In solch einem Dritten Raum gelten klare Regeln: Respekt, Augenhöhe und sachliche Debatte. Beispiele dafür könnten lokale Bürgerforen oder moderierte Online-Plattformen sein, die von öffentlichen Stellen angeboten werden. Dort haben nicht einige lautstarke Stimmen das Podium, sondern alle Teilnehmer erhalten Raum, ihre Sichtweisen einzubringen. Unterschiedliche Meinungen werden nicht niedergebrüllt, sondern es wird wirklich zugehört.
Öffentliche Institutionen können solche Räume aktiv gestalten – etwa regelmäßige Bürgerdialoge in Gemeinden, Zukunftswerkstätten oder Online-Diskussionsrunden zu kontroversen Themen, geleitet von geschulten Moderatoren. Wichtig ist die Unabhängigkeit: Die Teilnehmer sollen die Erfahrung machen, dass es ihr Diskursraum ist, kein PR-Event der Behörde.
Öffentlich-rechtliche digitale Plattformen
Auf europäischer Ebene wird die Idee eines „öffentlich-rechtlichen Internets“ diskutiert – also sozialer Plattformen, die vom öffentlichen Rundfunk oder Allianzen gemeinnütziger Akteure betrieben werden. Diese würden als Alternative zu Facebook, YouTube & Co. fungieren, mit dem Unterschied, dass nicht Gewinnmaximierung durch Empörung das Ziel ist, sondern sachliche Information und Austausch.
Ein visionäres Beispiel: ARD, ZDF, BBC und FranceTV könnten gemeinsam ein europäisches Video- und Diskussionsportal betreiben, das YouTube ähnelt. Dort könnten Bürgervideos, Debattenformate, Bildungsinhalte und lokale Nachrichten zusammenkommen – ohne Manipulationsalgorithmen und mit redaktioneller Kuratierung zum Schutz vor Hetze.
Öffentliche Kommunikationsprofis sollten solche Ideen unterstützen und pilotieren: Warum nicht ein städtisches soziales Netzwerk im Kleinen ausprobieren? Einige Kommunen nutzen bereits Mastodon (ein föderiertes soziales Netzwerk) als Twitter-Alternative, um unabhängig von Konzernplattformen zu kommunizieren. Die Vorteile: Datenhoheit, keine Werbung und Community-Regeln, die demokratisch festgelegt werden.
Für den dritten Raum offline gilt ähnliches Prinzip: Bibliotheken und Bürgerhäuser können zu “Demokratie-Laboren” werden, wo regelmäßige Treffen zu aktuellen Streitfragen stattfinden – moderiert, vielleicht begleitet von Experten, aber offen für alle Bürger. Solche physischen Räume fördern direkten zwischenmenschlichen Kontakt, was online schwerer herzustellen ist. Gerade nach Pandemie und in Zeiten zunehmender Anonymität im Netz ist dieser persönliche Dialog Gold wert.
Moderation und klare Regeln
Ein neuer Diskursraum funktioniert nur, wenn er gut moderiert und vor Extremnutzung geschützt wird. Daher sollten öffentliche Stellen für professionelle Dialog-Begleitung sorgen. Das kann bedeuten, neutrale Moderator:innen bereitzustellen, die etwa bei Bürgerversammlungen darauf achten, dass jeder zu Wort kommtvund dass die Diskussion sachlich bleibt.
Online-Plattformen in öffentlicher Hand müssten konsequent Nutzungsregeln durchsetzen – ähnlich den Regeln der Kommentarbereiche öffentlich-rechtlicher Medien – um Hasspostings oder organisierte Trolle draußen zu halten. Transparenz ist dabei wichtig: Die Regeln des Miteinanders sollten gemeinsam mit Bürger:innen erarbeitet und veröffentlicht werden, um Akzeptanz sicherzustellen.
Wenn Menschen spüren, dass ein Raum wirklich dem fairen Austausch dient und nicht der Beeinflussung, sind sie eher bereit, sich auf Debatte einzulassen und vielleicht starre Positionen zu überdenken. So ein Raum kann Brücken bauen zwischen Lagern, die sonst kaum mehr ins Gespräch kommen.
Empfehlungen (Dritter Raum):
- Lokale Dialogforen initiieren:
Veranstalten Sie regelmäßige Bürgerrunden zu strittigen Themen (Migration, Klimaschutz etc.), z. B. monatlich im Rathaus oder digital per Videokonferenz. Laden Sie alle Interessierten ein, sorgen Sie für eine/n Moderator:in und dokumentieren Sie Ergebnisse, die in die Politik zurückgespielt werden. - Digitale Öffentlichkeit neu denken:
Prüfen Sie Pilotprojekte für kommunale soziale Netzwerke oder Foren. Evtl. im Verbund mit anderen Städten eine eigene Plattform betreiben, die lokalpatriotische Community-Features mit sachlichem Informationsangebot verbindet. Ziel: die Diskurs-Hoheit zurückgewinnen von anonymen Plattformen. - Partnerschaft mit zivilgesellschaftlichen Räumen:
Nutzen Sie bestehende Treffpunkte (Vereinsheime, Kirchen, Kulturzentren) als demokratische Debattenräume. Unterstützen Sie Vereine oder Initiativen, die solche „Dritten Räume“ schaffen wollen, mit Ressourcen und Schirmherrschaften. - Experimentieren und lernen:
Der dritte Raum kann vielfältige Formen haben – von “World-Café”-Dialogevents bis zu Bürgerjury-Formaten. Testen Sie verschiedene Ansätze und lassen Sie die Teilnehmer Feedback geben, was am besten funktioniert, um konstruktiv miteinander zu reden.
Die Verteidigung der Demokratie gegen rechte Einflussnahme erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Kommunikationsverantwortliche in öffentlichen Institutionen sind dabei Schlüsselfiguren. Durch strategische, wertebasierte Kommunikation, umfassende Bildungs- und Aufklärungsarbeit, die Stärkung unabhängiger Medienstrukturen und das Anbieten neuer Dialogräume können sie präventiv wirken, anstatt nur auf Krisen zu reagieren.
Entscheidend ist, Vertrauen aufzubauen– in Fakten, in Verfahren und in das Miteinander. Wenn Bürger:innen spüren, dass ihre Institutionen transparenter informieren, ihre Sorgen ernstgenommen werden und dass demokratische Prozesse greifbare Verbesserungen bringen, dann verlieren die Parolen der demokratiefeindlichen Rechten an Zugkraft.
Die hier skizzierten Maßnahmen – vom Faktencheck-Post in sozialen Medien bis zur moderierten Bürgerversammlung im Rathaus – sollen öffentliche Stellen befähigen, kommunikativ den Ton anzugeben.
Eine lebendige Demokratie braucht informierte, engagierte Bürger und eine Kommunikation, die integriert statt spaltet. Mit einer solchen umfassenden Strategie kann es gelingen, die demokratische Widerstandskraft zu erhöhen und extremistischer Einflussnahme den Nährboden zu entziehen.
Wie es im Manifest für ein öffentlich-rechtliches Internet heißt: “Um die Öffentlichkeit zu stärken und die Demokratie zu retten, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr öffentlich getragene Medien.” – ebenso brauchen wir mehr engagierte öffentliche Kommunikation, die Demokratie stolz und selbstbewusst vermittelt. Damit unsere liberale Demokratie auch in stürmischen Zeiten fest verankert bleibt.
Quellen:
- Bertelsmann-Studie 2024
→ Untersuchung zu Desinformation und deren Auswirkungen auf Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ergebnis: 81 % der Deutschen sehen Desinformation als ernsthafte Bedrohung. - Studie zur Meinungsmanipulation in sozialen Medien (2023)
→ Analyse, wie rechte Akteure digitale Plattformen nutzen, um Narrative zu verschieben und die Wahrnehmung demokratischer Prozesse zu untergraben. - Digital Services Act (DSA) – EU-Verordnung 2022
→ Gesetzliche Grundlage zur Regulierung von Social-Media-Plattformen, insbesondere zur Bekämpfung von Hassrede und Desinformation. - Programm „Demokratie leben!“ der Bundesregierung
→ Initiative zur Förderung politischer Bildung, Medienkompetenz und Aufklärung über Desinformation in Deutschland. - OECD-Umfrage zu Bürgerbeteiligung und Vertrauen (2022)
→ Studie, die zeigt, dass Menschen mehr Vertrauen in staatliche Institutionen haben, wenn sie sich in Entscheidungsprozesse einbezogen fühlen. - Cambridge-Studie zu Prebunking (2023)
→ Wissenschaftliche Untersuchung über die Wirkung von „Prebunking“-Videos, die Menschen dabei helfen, Desinformation zu erkennen und ihr weniger Glauben zu schenken. - Bericht der EU-Kommission zur Plattformregulierung (2023)
→ Bewertung der Maßnahmen, die Plattformen zur Bekämpfung von Fake News und Desinformation treffen müssen. - European Media Freedom Act (EMFA) – EU-Gesetzgebung
→ Schutz der redaktionellen Unabhängigkeit von Medien in Europa, insbesondere gegen politische Einflussnahme. - No Hate Speech Initiative
→ EU-weite Kampagne zur Bekämpfung von Hassrede und extremistischen Narrativen in digitalen Medien. - Correctiv – Faktencheck-Analysen zu rechter Desinformation
→ Recherchejournalismus und Faktenchecks zu den verbreitetsten rechten Fake News in Deutschland. - Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) – Medienkompetenz-Initiativen
→ Sammlung von Bildungsprogrammen und Materialien zur Förderung von Medienkompetenz und kritischem Denken. - Studie zur Rolle von öffentlich-rechtlichen Medien in Demokratien (2023)
→ Forschungsergebnisse zur Bedeutung von unabhängigen, öffentlich finanzierten Medien für demokratische Gesellschaften. - Projekt „So geht Medien“ (ARD/ZDF) für Schulen
→ Bildungsinitiative zur Vermittlung von Nachrichtenkompetenz und dem Erkennen von Desinformation. - Manifest für ein öffentlich-rechtliches Internet
→ Vorschlag für eine Alternative zu profitorientierten Social-Media-Plattformen, die sich auf sachlichen Austausch und Fakten fokussiert. - Analyse des „Dritten Raums“ in der politischen Kommunikation (2023)
→ Konzeptstudie zu alternativen Dialogräumen jenseits sozialer Medien, um die demokratische Diskussionskultur zu stärken.

Daniela Vey
Seit 2004 als leidenschaftliche Informationsdesignerin selbständig. Neben meiner Tätigkeit als Dozentin für verschiedene Hochschulen und Akademien, vermittle ich mit Begeisterung mein Expertenwissen in den Bereichen Social Media, Design und User Experience. Auf der AllSocial-Konferenz trifft man mich als Moderatorin und Speakerin.
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