25 Studien und Erkenntnisse für öffentliche Institutionen
Das Jahr 2024 brachte zahlreiche Studien und Reports rund um Social Media hervor – mit spannendem Fokus auf Deutschland und Europa. Ob steigende Nutzerzahlen, neue Plattform-Gewohnheiten oder politische Kommunikation: Behörden, Städte und Ministerien sollten die aktuellen Erkenntnisse kennen, um ihre Strategien anzupassen.
Im Folgenden gebe ich einen Überblick über 25 der relevantesten Social-Media-Studien 2024. Ich beleuchte Entwicklungen bei Instagram, LinkedIn und TikTok (aber auch anderen Netzwerken) und leite daraus Learnings für öffentliche Einrichtungen ab.
Nutzerverhalten 2024: Wie nutzen verschiedene Zielgruppen Social Media?
So viele Menschen online wie nie zuvor
Weltweit ist die Social-Media-Nutzung weiter gewachsen. Ende 2023 wurde die Marke von rund 5 Milliarden Social-Media-Nutzenden erreicht – im Laufe des Jahres kamen 266 Millionen neue Nutzer hinzu (datareportal.com). Damit starteten 2024 im Schnitt 8,4 neue Personen pro Sekunde ihre Social-Media-Reise. Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer liegt global bei 2 Stunden 23 Minuten. In Deutschland zeigen jedoch erste Anzeichen einer Sättigung: Erstmals seit Jahren ist der Anteil der Social-Media-Nutzer leicht zurückgegangen.
80 % der deutschen Internetnutzer ab 16 Jahren sind 2024 auf sozialen Plattformen aktiv – vier Prozentpunkte weniger als im Vorjahr (84 %). Auch die verbrachte Zeit schrumpfte: Privat sind es noch 18,7 Stunden pro Woche (minus 2,1 Stunden) und beruflich 9,3 Stunden (minus 4,4 Stunden). Vor allem die Generation 40–49 hat ihre Social-Media-Zeit deutlich reduziert. Als Gründe nennt die Studie zunehmende Hate-Speech und Content-Überflutung – etwa die Welle von Hass und Desinformation nach den Ereignissen in Israel im Oktober 2023.
Hier deutet sich eine Trendwende an: Einige Nutzer kehren sozialen Netzwerken den Rücken, die anfängliche Euphorie weicht einer kritischeren Nutzungshaltung (spielwarenmesse.de). Öffentliche Stellen sollten diese Nutzermüdigkeit ernst nehmen und verstärkt auf qualitativ hochwertige Inhaltesetzen, um relevant zu bleiben.
Instagram vor Facebook – TikTok holt auf
In Deutschland haben sich die Beliebtheitswerte der Plattformen weiter verschoben. Instagram ist nun das meistgenutzte Netzwerk: 37 % der Bevölkerung (14+) nutzen Instagram mindestens wöchentlich, damit überholt es Facebook (33 %). TikTok konnte seine Reichweite ebenfalls steigern und liegt bei 18 % wöchentlicher Nutzung (ard-media.de). Betrachtet man die tägliche Nutzung, bleibt Instagram mit 29 % täglich aktiven Deutschen vorn, während TikTok mit 16 % deutlich zugelegt hat und Facebook mit 15 % dahinter zurückfällt (kontor4.de).
Auch ältere Zielgruppen ziehen nach: Die 50- bis 69-Jährigen tragen einen großen Teil des Nutzerzuwachses – Social Media ist längst kein Jugendphänomen mehr (kontor4.de). Allerdings nutzen Jüngere andere Plattformen als Ältere. Eine amerikanische Umfrage verdeutlicht extreme Altersunterschiede: Während 78 % der 18–29-Jährigen Instagram nutzen, sind es bei den über 65-Jährigen nur 15 % (pewresearch.org).
Entsprechend sollten Behörden ihre Kanalstrategie nach Altersgruppen ausrichten. Beispielsweise erreicht man junge Erwachsene effektiver über visuelle Plattformen wie Instagram und TikTok, während Facebook in der Breite an Boden verliert.
Problematische Nutzung und mentale Gesundheit
Eine große WHO-Studie in Europa schlug 2024 Alarm: Unter 280.000 befragten Jugendlichen (11, 13 und 15 Jahre alt in 44 Ländern) zeigte sich bei 20 % eine problematische Social-Media-Nutzung – ein starker Anstieg von zuvor 7 %. Vor allem Mädchen neigen zu exzessiver Social-Media-Nutzung, während bei Jungen eher problematisches Gaming verbreitet ist (meedia.de). Dieser Befund unterstreicht den Handlungsbedarf für Schulen und Jugendbehörden in puncto Medienkompetenz und Prävention von Suchtverhalten.
Allerdings ist die Forschung zu Social Media und mentaler Gesundheit nicht einseitig: Eine australische Studie fand kaum einen direkten Zusammenhang zwischen intensiver Social-Media-Nutzung und psychischen Problemen (sciencedaily.com). Das heißt, viel nutzen heißt nicht automatisch unglücklich sein – die Auswirkungen hängen von individuellen und inhaltlichen Faktoren ab. Für Städte und Ministerien bedeutet das: Aufklärung sollte differenziert erfolgen – etwa Jugendliche zu einem bewussten Umgang ermutigen, ohne pauschal Panik zu schüren.
Learning für öffentliche Institutionen
Das Nutzerverhalten fragmentiert sich weiter. Instagram ist derzeit King in Deutschland, TikTok wächst rasant insbesondere bei jungen Leuten, während Facebook schwächelt. Insgesamt nutzen 60 % der Deutschen ab 14 mindestens wöchentlich soziale Medien – Tendenz steigend, besonders durch ältere Neunutzer (kontor4.de). Gleichzeitig regt sich etwas Überdruss in bestimmten Gruppen.
Öffentliche Einrichtungen sollten daher präsent sein, wo ihre Zielgruppen sind, und auf jeder Plattform angepasste Inhalte bieten. Qualität schlägt Quantität: Um in den überfüllten Feeds relevant zu bleiben, muss man Mehrwert und Authentizität liefern, anstatt die Nutzer mit austauschbarem Einheitscontent zu verlieren. Ein Fokus auf digitale Resilienz und Aufklärung – z.B. Jugendliche zu schulen und ältere Einsteiger abzuholen – rundet die Strategie ab.
Politische Kommunikation: Social Media als Nachrichten- und Wahlkampfbühne
Social Media als Nachrichtenquelle
Facebook, YouTube, Instagram & Co. haben sich fest als Info-Kanäle etabliert – vor allem bei jungen Menschen. Jeder zweite Deutsche unter 35 Jahren begegnet Nachrichteninhalten auf Social-Media-Plattformen. Laut Reuters Institute Digital News Report 2024 nutzen 34 % der deutschen Internetnutzer soziale Medien jede Woche, um Nachrichten zu suchen, zu lesen, anzuschauen oder zu diskutieren.
Bei den 18–24-Jährigen beziehen sogar 35 % ihre News hauptsächlich aus sozialen Netzwerken – für 16 % dieser Altersgruppe sind Social Media die einzige Nachrichtenquelle. Insbesondere Instagram, YouTube und TikTok dienen der jungen Generation als News-Channel: 27 % der 18–24-Jährigen in Deutschland konsumieren regelmäßig News-Inhalte auf Instagram, gefolgt von YouTube (24 %) und TikTok (13 %) (leibniz-hbi.de).
Damit hat sich TikTok in wenigen Jahren vom Nischenangebot zu einem relevanten Info-Lieferanten entwickelt. Ähnliche Trends sieht man in den USA: Dort hat sich der Anteil der Erwachsenen, die regelmäßig Nachrichten auf Instagram konsumieren, von 11 % (2020) auf 20 % in 2023 nahezu verdoppelt; TikTok stieg sogar von 3 % auf 17 %und liegt damit bereits vor Twitter/X (tagteam.harvard.edu). Insgesamt sagen 54 % der US-Erwachsenen, dass sie zumindest gelegentlich News via Social Media bekommen (tagteam.harvard.edu).
Öffentliche Akteure müssen also damit rechnen, dass ihre Botschaften zunehmend im Social-Feed ankommen (oder untergehen). Eine Herausforderung bleibt jedoch die Glaubwürdigkeit: Viele Nutzer misstrauen Informationen auf Social Media. 41 % der TikTok-Nutzer geben an, Nachrichten auf der Plattform nur schwer auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen zu können (leibniz-hbi.de).
Ähnliches Misstrauen besteht gegenüber Inhalten auf X/Twitter. Hier gilt es, als offizieller Absender Vertrauen aufzubauen, z.B. durch klare Faktenchecks und transparente Quellenangaben, um sich von Gerüchten abzuheben.
Wahlkampf auf Instagram und TikTok
Parteien und Politiker haben 2024 vermehrt die Bedeutung der neuen Kanäle erkannt – mit gemischtem Erfolg. Eine Analyse des Politikberaters Johannes Hillje zeigte, dass in Deutschland insbesondere die rechtspopulistische AfD Social Media strategisch überaus erfolgreich nutzt. Auf TikTok erzielte der offizielle AfD-Bundestagsfraktionskanal zwischen 2022 und 2023 durchschnittlich 430.000 Views pro Video, während etwa die FDP-Kanäle nur rund 53.000 erreichten.
Ähnliche Vorreiterrolle der AfD auf YouTube und Facebook: Die AfD zählt dort weitaus mehr Follower als die etablierten Parteien und generiert ein Vielfaches an Aufrufen. Selbst auf Instagram, wo die Grünen nominell die meisten Follower haben, schafft es die AfD mit einer Interaktionsrate von ~3,6 % pro Post (doppelt so hoch wie bei anderen Parteien) deutlich mehr Engagement zu mobilisieren. Der inhaltliche Ansatz: Die AfD bespielt vor allem emotionalisierende Themen und kurze Clips, um bei jungen Nutzern Anklang zu finden.
Diese Erkenntnis ist für demokratische Institutionen doppelt wichtig: Erstens müssen sie selbst aktiv auf diesen Plattformen kommunizieren, um ihre Inhalte in den digitalen Debattenraum einzubringen. Zweitens sollten sie rechtsextremer Propaganda etwas entgegensetzen, etwa durch faktenbasierte Aufklärung und attraktive Formate, die auch die „Generation TikTok“ ansprechen. Denn wenn Behörden und gemäßigte Stimmen Social Media vernachlässigen, überlassen sie das Feld Akteuren, die es gezielt mit einfachen Botschaften bespielen (zdf.de).
Regulierung und Sicherheit
TikTok unter Beobachtung: Die starke Verbreitung von TikTok – insbesondere unter Jugendlichen – hat 2024 zu anhaltenden Debatten über Regulierung und Sicherheitsrisiken geführt. In den USA wurde diskutiert, TikTok sogar ganz zu verbieten oder zum Verkauf zu zwingen, aus Sorge vor Datenabfluss nach China und politischer Beeinflussung (zdf.de). Auch viele westliche Länder haben reagiert: In der EU-Kommission sowie in Deutschland und etlichen EU-Staaten ist TikTok auf Diensthandys von Regierungsmitarbeitern mittlerweile verboten (zdf.de).
Über 50 US-Bundesbehörden sowie mehrere Bundesstaaten untersagten die Nutzung auf Behörden-Geräten. Diese Maßnahmen zeigen, dass Social-Media-Plattformen im politischen Kontext nicht nur als Kommunikationskanal, sondern auch als Sicherheitsfrage gesehen werden. Für Ministerien und Behörden bedeutet das ein Spannungsfeld: Einerseits will man TikTok & Co. nutzen, um gerade junge Bürger zu erreichen; andererseits muss man Datenschutz und Sicherheitsrichtlinien einhalten.
2024 ist dieser Konflikt offensichtlicher denn je. Die EU versucht mit dem Digital Services Act (DSA) zudem, Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen – etwa in Bezug auf den Umgang mit Desinformation und algorithmischer Transparenz (english.ahram.org.eg).
Learning: Öffentliche Stellen sollten intern klare Richtlinien haben, wie sie mit unsicheren Plattformen umgehen (z.B. getrennte Geräte für Social-Media-Teams) und sich gleichzeitig an Debatten über Plattformregulierung beteiligen, um ihre Interessen (etwa Schutz vor Hetze, Schutz der Meinungsfreiheit) einzubringen.
Learning für öffentliche Institutionen
Social Media ist 2024 unverzichtbar für politische Kommunikation, aber kein einfaches Terrain. Städte, Behörden und Politiker müssen dort präsent sein, wo die Bürger ihre Informationen beziehen – zunehmend also in Feeds und Stories. Die Herausforderung liegt darin, Vertrauen aufzubauen und faktenbasierte Inhalte attraktiv aufzubereiten. Wichtig ist, Dialoge zu fördern (z.B. via Kommentare oder Q&As), anstatt nur Einweg-Botschaften zu senden – denn soziale Netzwerke leben von Interaktion.
Gleichzeitig sollte man sich der Plattformdynamiken bewusst sein: Polarisierende Inhalte erzielen oft hohe Reichweiten, wodurch seriöse Stimmen unter Druck geraten. Umso mehr gilt es, professionelles Community-Management zu betreiben, Gerüchte schnell zu adressieren und sich dabei an die jeweiligen Plattformkulturen anzupassen. Kurzum: Social Media kann Demokratien beleben, wenn öffentliche Akteure es geschickt nutzen – oder Debatten verzerren, wenn sie es rechtecken überlassen. 2024 hat gezeigt, wie schmal dieser Grat ist.
Trends im öffentlichen Sektor: Verwaltungen erobern die sozialen Netzwerke
Neue Pflicht statt Kür
Für Städte und Behörden ist Social Media längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern essenzieller Teil der Kommunikation. Ein Positionspapier des Deutschen Städtetags (2025) betont, dass kommunale Social-Media-Arbeit unabdingbar ist, um lokale Demokratie und Verwaltungshandeln transparent zu machen.
Hintergrund ist ein Wandel in der Medienlandschaft: Lokalzeitungen ziehen sich zurück, in vielen Regionen gibt es nur noch ein schrumpfendes Presseorgan vor Ort. Dadurch sind städtische Kanäle oft die letzten, die ausführlich über kommunalpolitische Themen informieren. Parallel dazu zeigt die Mediennutzungsforschung, dass gerade junge Bürger kommunale Infos vor allem über Social Media beziehen.
Eine gemeinsame Studie der Landesmedienanstalten ergab: Rund 70 % der 14–29-Jährigen informieren sich online und in sozialen Netzwerken über Politik vor Ort, über 30 % dieser Altersgruppe nennen Social Media bereits als wichtigste Informationsquelle für das aktuelle Geschehen (staedtetag.de). Diese Zahlen machen deutlich: Kommunen müssen online gehen, sonst findet die lokale Debatte ohne sie (oder über sie, aber nicht mit ihnen) statt. Entsprechend haben 2024 viele Behörden ihre Social-Media-Teams aufgestockt und experimentieren mit neuen Plattformen.
LinkedIn zum Beispiel wird von immer mehr öffentlichen Einrichtungen genutzt – sei es für Arbeitgeberkommunikation oder zum Austausch mit Fachpublikum. Die Reichweite ist beachtlich: In der EU erreicht LinkedIn rund 48 Millionen Menschen pro Monat (socialmediatoday.com). Für Ministerien bietet LinkedIn die Chance, politische Initiativen in professionellen Netzwerken zu diskutieren und Expertengruppen zu erreichen. Instagram wiederum wird verstärkt von Städten und Polizeidienststellen genutzt, um mit Bürgern in einen lockereren Austausch zu treten (z.B. Einblicke in den Arbeitsalltag, Veranstaltungsankündigungen mit Story-Charakter).
TikTok bleibt aufgrund der Sicherheitsbedenken heikel, doch einige Vorreiter wagen sich vorsichtig vor: So sind etwa manche Stadtmarketing-Abteilungen oder Jugendbeauftragte auf TikTok aktiv, um jüngere Zielgruppen anzusprechen – teils mit eigenen Influencern oder humorvollen Clips. Hier gilt es, eine Balance zu finden zwischen Reichweitenchance und Datenschutzverantwortung.
Krisenkommunikation als Erwartungshaltung
Ein deutliches Signal aus 2024: Bürger erwarten von Behörden im Ernstfall schnelle Infos über Social Media. Sei es ein Bombenfund, ein Großbrand oder Hochwasser – keine Stadt kann es sich leisten, auf Facebook, Twitter/X oder Messenger-Kanäle zu verzichten, um Warnungen in Echtzeit zu verbreiten (staedtetag.de). Über Soziale Netzwerke lassen sich innerhalb von Minuten Tausende Menschen erreichen, zumal Warn-Posts von Nutzern geteilt und viral verbreitet werden können. Viele Städte haben deshalb Notfall-Pläne, um im Krisenfall rund um die Uhr über ihre Social-Kanäle zu informieren.
Ein Beispiel: Als in einer Kommune die Telefonnetze ausfielen, informierte der Krisenstab per Twitter-Thread und Instagram-Story die Bevölkerung über Anlaufstellen – und rief parallel auf traditionellen Wegen (Lautsprecherwagen, Radio) dazu auf, diese Infos weiterzugeben. Die Vernetzung von Online- und Offline-Kanälen wird hier zum Erfolgsfaktor.
Allerdings zeigt sich auch, dass Social Media in Krisen ein zweischneidiges Schwert ist: Neben den offiziellen Warnungen kursieren oft schnell Gerüchte oder Panikmache. 2024 war dies etwa während kurzer Stromausfälle oder nach tragischen Ereignissen spürbar, wo teils falsche Informationen viral gingen.
Learning: Öffentliche Stellen müssen in Krisenzeiten sehr aktiv und präsent sein, um den Takt der Informationsvermittlung vorzugeben. Dabei sollten sie möglichst sachlich, aber empathisch kommunizieren – und die Interaktion (Nachfragen der Bürger in Kommentaren) moderieren. Die Technik – z.B. Zugriff auf Mobilgeräte auch außerhalb der Dienstzeiten oder die Einrichtung eines Social-Media-Krisenaccounts – sollte vorab geklärt sein.
Neue Technologien und Trends
Neben den etablierten Netzwerken klopfen neue Trends an die Tür der Behördenkommunikation. Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug – etwa in Form von Chatbots für Bürgeranfragen auf Social Media oder KI-Tools zur Content-Erstellung. Der European Communication Monitor 2024/25 identifizierte die Einbindung von KI-Technologien in Kommunikationsabteilungen als eines der drängendsten Themen, gleichauf mit dem Umgang mit geopolitischen Krisen (akademische-gesellschaft.com).
Einige Behörden experimentieren bereits: So beantworten manche Stadtverwaltungen häufige Fragen auf Facebook Messenger automatisiert per KI, um Personal zu entlasten. Auch das Monitoring riesiger Kommentarspalten (z.B. bei kontroversen Posts) wird teils durch KI unterstützt, die beleidigende Inhalte markiert.
Eine weitere Entwicklung ist die Fediverse/Mastodon-Nutzung: Aus Datenschutzgründen haben z.B. deutsche Datenschutzbehörden eigene Mastodon-Instanzen eingerichtet, um unabhängig von kommerziellen Plattformen zu kommunizieren. Noch fristet das Fediverse ein Nischendasein, doch die Idee einer föderierten, behördlich kontrollierten Social-Media-Infrastruktur (Stichwort mastodon.gov) wird diskutiert (jameshoward.us). Hier sollten öffentliche IT-Stellen und Kommunikatoren gemeinsam evaluieren, ob alternative Plattformen eine sinnvolle Ergänzung oder sogar künftig notwendige Ausweichlösung sein können – z.B. falls kommerzielle Netzwerke ausfallen oder regulativ eingeschränkt werden.
Learning für öffentliche Institutionen
„Digital first“ sollte 2024 das Motto jeder Behördenkommunikation sein. Die Sozialen Medien sind für Städte und Ministerien kein Spielwiese-Projekt mehr, sondern integraler Bestandteil, um Bürgerservice, Partizipation und Transparenz zu gewährleisten. Konkret sollten öffentliche Einrichtungen:
- Eigene Reichweiten aufbauen: Wer bereits jetzt Follower auf Instagram, Facebook, LinkedIn etc. bindet, hat im Krisen- oder Informationsfall einen direkten Draht zu tausenden Bürgern – ohne den Umweg über die Presse.
- Personelle Ressourcen einplanen: Social Media macht Arbeit – regelmäßige Inhalte, Monitoring, Bürgerreaktionen beantworten. Hier braucht es geschultes Personal (Social-Media-Manager), idealerweise im Team, um Kontinuität zu gewährleisten.
- Plattformvielfalt nutzen: Unterschiedliche Alters- und Interessengruppen tummeln sich auf unterschiedlichen Plattformen. Eine Multi-Plattform-Strategie (sinnvoll ausgewählt) stellt sicher, dass man alle erreicht: Von der Lokalnachrichten-Gruppe auf Facebook über Karrierenetzwerke wie LinkedIn bis zur jungen Community auf Instagram/TikTok.
- Spielregeln kennen: Öffentliche Stellen müssen die rechtlichen Vorgaben einhalten (z.B. Barrierefreiheit, Impressumspflicht online, Datenschutz bei Social-Media-Plattformen). Zudem sollten sie die Kultur jeder Plattform respektieren – d.h. Tonalität und Format anpassen (eine LinkedIn-Pressemitteilung funktioniert auf TikTok nicht und umgekehrt). Offenheit für neue Kanäle, aber mit Augenmaß und Vorbereitung, ist ratsam.
Unterm Strich zeigt 2024: Die öffentliche Verwaltung in Europa bewegt sich weiter Richtung digitale Bürgerkommunikation. Wer heute proaktiv Social Media einsetzt, stärkt die lokale Demokratie und das Vertrauen der Bürger – wer zögert, riskiert, den Anschluss an die Lebensrealität der Menschen zu verlieren.
Social-Media-Marketing-Strategien für Behörden: Was funktioniert?
Qualität vor Quantität – Content mit Mehrwert: Eine große Social-Media-Studie 2024 von Metricool (Analyse von 33 Millionen Posts auf 9 Plattformen) stellte klar: Klasse statt Masse ist der Erfolgstreiber. Auf Instagram etwa bevorzugt der Algorithmus relevante, spannende und nützliche Inhalte – kurze Videos (Reels)boomten mit +8,3 % Zuwachs, während klassische Beiträge und Stories leicht zurückgingen. Kleine Accounts mit kreativen Posts können so mehr Reichweite erzielen als große Accounts, die ihre Follower mit austauschbaren Massenposts überschütten (meedia.de).
Dieses Prinzip lässt sich auch auf Behörden übertragen: Statt die Timeline der Bürger mit drögen Pflichtmeldungen vollzustopfen, sollten Städte und Ministerien auf zielgruppengerechte, interessante Inhalte setzen. Beispiele: eine anschauliche Infografik zum Jahreshaushalt, ein kurzes Video-Interview mit dem Bürgermeister zu einem aktuellen Thema, oder ein humorvoller Blick hinter die Kulissen des Stadtparks-Teams.
Wichtig ist, die Besonderheiten jeder Plattform zu nutzen – vertikale Kurzvideos auf Instagram/TikTok, LinkedIn-Artikel für ausführlichere Hintergrundinfos oder Twitter/X-Threads für Live-Berichterstattung aus dem Stadtrat.
Plattform-Trends mitmachen (auf die richtige Art)
2024 zeigte, dass Behörden durchaus mutig in aktuellen Trends mitschwimmen können, solange die Botschaft stimmt. Ein Beispiel aus den USA: Das Wahlamt eines Bezirks in Missouri erstellte auf TikTok ein Video mit einem damals angesagten Audio-Meme, um jungen Wählern den Ablauf der Briefwahl zu erklären – mit Erfolg. Das TikTok-Video erzielte ungewöhnlich viele Shares und Speicherungen, weil es Trend-Elemente nutzte, um wichtige Informationen humorvoll zu verpacken.
Der Lerneffekt: “Trendjacking” kann auch im öffentlichen Sektor funktionieren – ein angesagter Sound, ein populäres Hashtag oder ein viraler Tanz, kombiniert mit einer sachlichen Botschaft (z.B. „Wie beantrage ich mein Wahllokal? – in 30 Sekunden erklärt“), erhöht die Chance, dass Bürger den Inhalt freiwillig weiterverbreiten. Natürlich muss das Thema geeignet sein und die Würde der Institution gewahrt bleiben. Aber gerade bei Service-Themen (Wahlen, Recyclingtipps, Bibliotheksangebote etc.) lohnt es sich, kreativ zu werden.
Humor und Menschlichkeit sind Trumpf
Social Media darf auch für Behörden locker und nahbar wirken – das verbessert die Resonanz. Wie der Meltwater-Report zu Government Social Media festhält: Selbst Behördenkommunikation muss „nicht trocken sein – Behörden können die Sprache und Kultur der Plattformen nutzen, um erfolgreich Bürger zu erreichen“.
Visuelles Storytelling und Markenbildung
In sozialen Medien gilt „Show, don’t tell“. Einige Verwaltungen haben 2024 vorgemacht, wie visuelles Storytelling Bürger fesseln kann. Beispiel: Die Wahlbehörde von Maricopa County (Arizona) kreierte das Maskottchen „Phil the Ballot“ – einen personifizierten Wahlzettel – der in Instagram-Posts und YouTube-Videos auftaucht, um auf Registrierung und Briefwahl hinzuweisen. Durch diese konsistente Figur entstand ein Wiedererkennungswert; Bürger schauten die Beiträge eher an, weil sie den „Phil“ bereits kannten.
Für deutsche Verhältnisse mag ein Maskottchen nicht immer passen, aber die Idee, Wiedererkennbarkeit durch visuelle Elemente zu schaffen, lässt sich übertragen: sei es ein einheitlicher Grafikstil in Instagram-Stories, eine bestimmte Farbenwelt für alle Social-Media-Profile der Stadt oder regelmäßige Videobotschaften stets mit derselben Intro-Musik.
Solche Wiedererkennungseffekte stärken die digitale Markenbildung einer Behörde. Laut Branchenanalysen sind prägnante Grafiken mit klarer Botschaft auf Plattformen wie Instagram extrem wirkungsvoll, gerade wenn knappe Ressourcen vorhanden sind (meltwater.com). Eine einfache, bold gestaltete Fakten-Grafik kann mehr Shares generieren als ein langer erklärender Text.
Community-Interaktion und Service
Social-Media-Marketing für öffentliche Einrichtungen ist keine Einbahnstraße. Erfolgreiche Accounts antworten auf Kommentare, gehen auf Bürgerfragen ein und moderieren aktiv Diskussionen. 2024 haben einige Städte z.B. Instagram-Fragerunden („Ask me anything“) mit dem Oberbürgermeister durchgeführt, um direktes Feedback einzuholen. Auch Bürger-Umfragen in Stories („Welche Spielplatzgeräte wünscht ihr euch?“) oder Twitter-Abstimmungen wurden häufiger eingesetzt, um Partizipation zu fördern.
Wichtig dabei: Bürger dürfen sehen, dass ihre Online-Stimme zählt – etwa indem die Ergebnisse solcher Social-Media-Umfragen anschließend in Entscheidungsgremien präsentiert werden. Eine Herausforderung ist der Umgang mit Kritik und Shitstorms. Viele Behörden hatten anfangs Sorge vor negativen Kommentaren.
Doch die Erfahrung 2024 zeigt: Transparenz zahlt sich aus. Wer offen mit Fehlern umgeht und sachlich auf Kritik antwortet, kann sogar Vertrauen gewinnen. Zudem haben einige Verwaltungen Leitfäden entwickelt, wie bei eskalierenden Diskussionen vorzugehen ist (z.B. höflich Grenzen setzen, auf persönliche Gespräche verweisen, in Extremfällen Nutzer blockieren).
Learning für öffentliche Institutionen
Die Social-Media-Strategie 2024 für Behörden lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Seid kreativ, bleibt glaubwürdig und hört der Community zu.
Konkrete Tipps:
- Kanal-spezifische Inhalte erstellen: Nicht jeden Post blind auf alle Netzwerke kopieren. Stattdessen je Plattform das passende Format wählen – z.B. LinkedIn für ausführliche Hintergrundinfos oder Stellenausschreibungen, Instagram für bildstarke Kurznews und menschliche Einblicke, TikTok (sofern genutzt) für einfache, prägnante Clips mit Unterhaltungsfaktor.
- Multimedia vor Textwüsten: Videos, Bilder, Infografiken und Stories ziehen deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich als reine Textposts. Selbst komplexe Botschaften lassen sich visualisieren (Diagramme, Schaubilder, Fotos mit Untertiteln).
- Regelmäßigkeit und Timing: Ein Redaktionsplan hilft, kontinuierlich präsent zu sein. Dabei ruhig auf Qualität achten – lieber seltener posten, dafür relevant. Analysiert die Statistiken, wann eure Zielgruppe online ist (z.B. morgens Pendlerzeiten auf LinkedIn, abends nach 20 Uhr auf Instagram) und platziert wichtige Meldungen entsprechend.
- Menschliche Stimme zeigen: Bürger reagieren positiv, wenn sie merken, da schreibt nicht nur eine Behörde, sondern ein Mensch. Ein freundlicher Ton, manchmal ein Emoji oder ein Augenzwinkern (wo angemessen), können Wunder wirken. Erfolgsgeschichten zeigen: Empathische Kommunikation – etwa Glückwunsch-Posts an Ehrenamtliche, Dankesworte nach einem erfolgreichen Stadtfest, Anteilnahme bei Schicksalsschlägen – bindet die Community emotional.
- Erfolge messen und intern verkaufen: Gerade in öffentlichen Verwaltungen muss Social Media seinen Wert beweisen. Nutzt KPIs (Follower-Wachstum, Reichweite, Engagement-Rate, positive Feedbacks) und berichtet intern über Meilensteine. Wenn z.B. ein TikTok-Video der Stadtbibliothek 100.000 Views erzielte oder via Facebook eine vermisste Person schneller gefunden wurde, sollten das Bürgermeister und Co. erfahren. Solche Erfolgserlebnisse sichern Rückhalt und Ressourcen für die Social-Media-Arbeit.
Zum Abschluss sei betont: 2024 hat die Bedeutung von Social Media für den öffentlichen Sektor untermauert. Die Studien und Trends des Jahres zeigen, dass Verwaltungen und Behörden, die sich digital gut aufstellen, näher an den Bürgern sind und Krisen besser meistern können. Die wichtigste Zutat bleibt jedoch Authentizität – denn hinter jedem Post steht im Idealfall der echte Wille, mit den Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren. So wird aus Followern Vertrauen und aus Likes letztlich Legitimation.

Daniela Vey
Seit 2004 als leidenschaftliche Informationsdesignerin selbständig. Neben meiner Tätigkeit als Dozentin für verschiedene Hochschulen und Akademien, vermittle ich mit Begeisterung mein Expertenwissen in den Bereichen Social Media, Design und User Experience. Auf der AllSocial-Konferenz trifft man mich als Moderatorin und Speakerin.
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